Auf der 55. Jahrestagung der DGK-DVG vom 12.-15. November 2009
im Berliner Hotel Estrel referierte neben viele anderen namhaften
Vortragenden auch Frau PD Dr. Iris M. Reichler von der Vetsuisse-
Fakultät der Universität Zürich. Ihr Thema waren die Auswirkungen
der chirurgischen Entfernung der Gonaden auf Stoffwechsel,
Bewegungsapparat und Tumorgenese in Abhängigkeit von Spezies,
Geschlecht und Alter.
Demnach führt die Kastration bei Katzen zu einer Gewichtszunahme
um mehr als das Dreifache, während diese Neigung bei Hunden
offenbar maßgeblich vom Alter zum Zeitpunkt der Kastration
abhängt. So scheinen frühkastrierte Hunde im Vergleich zu
spätkastrierten ein geringeres Risiko für Übergewicht zu haben.
Bei Katern kommt zur starken Neigung von Übergewicht noch ein 2-
9-fach erhöhtes Risiko für Diabetes mellitus nach der Kastration
hinzu. Das Risiko steigt aber auch bei Rüden nach der Kastration an,
während die Kastration von Hündinnen mit Diabetes mellitus ein
wichtiger Bestandteil der Behandlung ist.
Besonders entscheidend ist das Alter zum Zeitpunkt der Kastration
für das Knochenwachstum. Eine Kastration vor der Pubertät
verzögert den Fugenschluss und es entwickelt sich ein
dysproportionierter Hochwuchs. Auch hier ist am stärksten der Kater
betroffen. Eine erhöhte Frakturinzidenz konnte im Zusammenhang
mit dem Kastrationszeitpunkt dagegen weder bei der Katze noch
beim Hund gefunden werden. Allerdings nimmt die Inzidenz von
Hüftdysplasie (HD) bei frühkastrierten Hunden (< 6 Monate) zu.
Spezifisch beim Boxer erhöht sich durch die Kastration laut einer
Studie die Inzidenz von HD um das 1,5-fache. Wie Frau Reichler
anmerkt, sind bei der Studie jedoch weder Körpergewicht noch größe
berücksichtigt worden.
Darüber hinaus scheint die Kastration auch für ein erhöhtes Risiko für
Kreuzbandrisse beim Hund verantwortlich zu sein. Intakte Hunde sind
demnach nur halb so oft betroffen wie kastrierte
Geschlechtsgenossen.
Weiterhin beeinflusst das Alter zum Zeitpunkt der Kastration die
Entstehung von Mammatumoren bei Hund und Katze. Während eine
frühe Kastration das Risiko der Entstehung von Mammatumoren bei
Hund und Katze senkt, hat die Kastration einer Kätzin nach dem 2.
Lebensjahr oder nach der 2. Läufigkeit einer Hündin keinen
präventiven Effekt mehr auf die Entstehung von Mammatumoren.
Weiterhin wird ein positiver Einfluss einer frühen Kastration auf die
Tumorgenese von Tumoren im Genitaltrakt, insbesondere bei
Hündinnen vermutet.
Männliche, kastrierte Tiere erkranken dagegen 3x häufiger als
unkastrierte Tiere an einer tumorösen Entartung der Prostata.
Dagegen scheint eine Kastration den Rüden vor der Entstehung von
Perinealadenomen zu schützen, die meist auch mit Leydigschen
Zwischenzelltumoren des Hodens assoziiert sind. Zumindest treten
diese Tumore vor allem bei intakten, älteren Rüden auf. Bei der
Hündin werden Perinealtumore jedoch wiederum nahezu
ausschließlich bei kastrierten Hündinnen festgestellt.
Ebenfalls negativ wirkt sich eine Kastration auf die Inzidenz von
Herztumoren aus. Das Risiko der Hündin steigt durch die Kastration
um das 4-fache an, beim Rüden um das 1,6-fache. Auch scheinen
Hämangiosarkome der Milz bei kastrierten Hunden häufiger
aufzutreten. Das gilt auch für das Osteosarkom. Dieser Tumor tritt bei
kastrierten Hunden doppelt so häufig auf wie bei intakten. Hier
scheint aber das Risiko auch mit dem Zeitpunkt der Kastration
zusammen zu hängen. Je jünger die Tiere, desto größer das Risiko.
Generell gibt Kollegin Reichler aber zu bedenken, dass die höhere
Lebenserwartung kastrierter Hunde und Katzen auch eine höhere
Tumorinzidenz zur Folge haben könnte.
Bei Hündin beträgt die Steigerung der Lebenserwartung durch die
Kastration etwa ein Jahr, bei Kätzinnen vier Jahre und bei Katern bis
zu fünf Jahren.
Reichler, I. (2009). Auswirkungen der Kastration auf den Stoffwechsel, den Bewegungsapparat und die Tumorgenese. 55. Jahrestagung der DGK-DVG in Berlin